Barfußschuhe aus sportlicher & medizinischer Sicht
|
|
Lesezeit 5 min
|
|
Lesezeit 5 min
Unsere Füße tragen unser Körpergewicht - ein Mehrfaches davon beim Laufen - unser Leben lang. Legen wir die Empfehlung von 4'000-10'000 Schritte pro Tag als Grundlage, belasten wir unsere Füße durchschnittlich mit 200 Millionen Schritten im Laufe unseres Lebens.
Unser Fuß besteht aus 28 Knochen, mit 107 Gelenken, die mit 57 Bändern passiv zusammengehalten und von 30 Muskeln aktiv geführt werden. Ein Viertel unserer gesamten Knochen befindet sich an unseren Füßen.
Spezielle Fühler (Rezeptoren der Tiefensensibilität = Propriorezeptoren) messen und berichten unserem Gehirn ständig über die Stellung unserer Gelenke. Bei Bedarf werden zuständige Muskeln aktiviert, um Stellungskorrekturen vorzunehmen.
Werden unsere Füße ständig durch Schuhwerk eingepackt,
gedämpft, gepolstert und geführt, werden die Propriorezeptoren fast arbeitslos und unsere Fußmuskulatur verkümmert.
Solches Schuhwerk verleitet uns zur Fortbewegung ohne die notwenige Anspannung in der Muskulatur bis hoch zum Rumpf. Dies führt zu nachlässig ausgeführten Schritten mit schlaffer Haltung, welche sich auf die Knie-, Hüft-, Kreuz-Darmbein-, sowie unsere Wirbelgelenke fortsetzt.
Unkontrollierte Schritte können insbesondere an unserer unteren Extremität zu Schmerzen und frühzeitigem Gelenkverschleiß führen.
Barfußlaufen regt Rezeptoren und Muskulatur vermehrt zur Arbeit an. Sie werden barfüßig mehr gefordert und trainiert.
Wir führen barfüßig zudem unsere Schritte mit einer höheren Grundanspannung aus, so dass die Gelenke physiologisch (korrekt-normal) belastet werden. Insgesamt "verläuft" die Bewegung mit mehr Spannung und damit kontrollierter ab.
Barfuß zu Gehen bzw. Barfußschuhe im Alltag einzusetzen ist für jedermann sinnvoll.
Vorsicht geboten ist bei schwerem Übergewicht, bei gravierenden Fehlstellungen und bei Fußbeschwerden. In diesem Fall sollte man sich vorsichtig an das Barfußgehen herantasten (langsame Steigerung der Dauer), ggf. den Orthopäden um Rat fragen.
Es gibt bei Barfußschuhen die Möglichkeit Einlegesohlen des Herstellers oder auch eigene orthopädische Einlagen für Laufschuhe einzulegen. So wird ein langsameres Herantasten an das Barfußgehen- oder -laufen ermöglicht ohne zu große Gefahr einer Über- oder Fehlbelastung des Fußes.
Bei eigenen orthopädischen Schuheinlagen müssen je nach Dicke bzw. Höhe der Einlagen ggf. die Schuhe eine Größe größer gewählt werden.
Unser Abrollverhalten unter Barfuß-Bedingungen ändert sich mit der Bewegungsgeschwindigkeit.
Gehen wir barfuß wird physiologischerweise der Fersengang eingesetzt. Das Abrollen über die Ferse ist bei dieser langsamen Geschwindigkeit normal und sollte an sich
nicht verändert werden.
Beim Joggen oder Laufen rollen wir barfüßig physiologischerweise über unseren Mittelfuß und weiter über die Zehen ab.
Sprinten wir, setzen wir den Vorfuß auf und stoßen uns direkt wieder damit ab.
Mittelfußlauf und Vorfußlauf sorgen für eine flüssige Fortbewegung ohne stärkere Bremskräfte auf Sprung-, Knie- und Hüftgelenk.
Im flachen Gelände laufen wir barfüßig je nach Geschwindigkeit über den Mittelfuß oder Vorfuß. Bergauf laufen wir in der Regel über den Vorfuß, bergab eher über die Ferse (Mittel- und Vorfußlauf sind bei weniger steilen Bergab-Passagen mit Einbuße der Stabilität auch möglich).
Mit unseren gut gedämpften Laufschuhen wird der Fersenlauf auch im flachen Gelände möglich, da die Stöße auf die Ferse abgebremst werden. Barfüßig wird dieser Laufstil physiologischerweise nicht eingesetzt – beim Gehen schon.
Da eine Flugphase beim Fersenlauf nicht benötig wird oder klein gehalten werden kann, können Kräfte eingespart werden. Der Fersenlauf gilt deshalb als recht ökonomisch und wird gerne bei längeren Läufen eingesetzt (Marathonläufe).
Beim Fersenlauf wirken Bremskräfte und Stoßkräfte auf die Ferse und werden auf das Knie- und das Hüftgelenk weitergeleitet. Diese Kräfte können auf Dauer zur Überlastung der Gelenke führen.
Eine Instabilität im Sprunggelenk (Überpronation, seltener auch verstärkte Supination) können beim Fersenlauf zur Verwringung der Achillessehne und auf Dauer zu deren Schädigung führen. Zudem können weitere Muskeln mit ihren Sehnen bei Pro- oder auch Supination während der Laufbelastung überstrapaziert werden.
Mittelfußlauf und Vorfußlauf belasten indes vermehrt den Fußballen. Ein Mehrfaches unseres Körpergewichts wird abgefangen. Der Muskel-, Sehnen- und Bandapparat des Fußes wird hierbei stärker belastet. Der gesamte Fuß sollte langsam an diese Belastung gewöhnt werden. Dies gilt auch für die Wadenmuskulatur und die Achillessehne.
Die Verwringung der Achillessehne kann indes bei Mittelfuß-/Vorfußlauf verringert werden.
Läufer ohne weitere Beschwerden profitieren vom Mittel- und Vorfußlaufen durch die flüssigere Bewegung, die Verminderung von Stoßkräften auf die Gelenke und ein Vermeiden von zu starken Pro- oder auch Supinationsbewegungen mit der Gefahr von Überlastungsschäden. Gesamthaft wird die Haltung kontrollierter.
Personen mit akuten Achillessehnenbeschwerden oder Überlastung der Wadenmuskulatur sollten den Mittel-Vorfußlauf - zumindest in der Akutphase - meiden. Übergewichtige Personen, sowie Personen mit Fußbeschwerden im Ballenbereich (wie Entzündungen der Sesambeine, Schleimbeutelentzündung, Morton Neurom, Ballenzehe) sollten diesen Laufstil besser nicht oder mit Vorsichtig einsetzen und ggf. Rat einholen.
Der Barfußschuh bietet für das Barfußlaufen den notwendigen Schutz, den wir aus Gründen der Hygiene und Verletzungsgefahr des Fußes in bestimmten Umgebungen benötigen. Der Schuh lässt unserem Fuß ausreichenden Platz im Vorfußbereich. Dämpfung und Führung im Vergleich zu herkömmlichen Laufschuhen sind absichtlich begrenzt, damit es dem Barfußlaufen sehr nahekommt.
Liegen Fehlstellungen oder Beschwerden vor, können Schuheinlagen dafür sorgen, dass es nicht zur Verstärkung der Grundbeschwerden kommt. Zumindest in den ersten Wochen oder auch Monaten ist es sinnvoll die orthopädischen Schuheinlagen bei längerem Tragen der Schuhe noch einzusetzen. Der Einsatz der speziellen Einlagen kann langsam reduziert werden, wenn dadurch keine Beschwerden auftreten.
Meiner Meinung nach sollten wir unseren Füßen Abwechselung verschaffen - im Alltag und beim Laufsport.
Im Alltag viel barfuß oder mit Barfußschuhen gehen auf womöglich unterschiedlichem Untergrund.
Für den Laufsport gilt es mehrere, unterschiedliche Laufschuhe und möglichst variables Terrain abwechslungsweise zu nutzen. (Die Investition für die Schuhe ist zwar einmalig höher, doch über die Jahre gibt man nicht mehr aus, denn ein vernünftiger Laufschuh hält je nach Schuhqualität und Körpergewicht um die 1000 km).
Unsere Füße gewöhnen sich somit nicht an das eine Paar Schuhe, sondern müssen sich immer wieder umstellen und bekommen unterschiedliche Reize.
Abwechselungsreiches Gelände verführt nicht zu nachlässigen Bewegungen, sondern Vorfuß-, Rückfußlaufen oder das Abrollen über die Ferse werden abgerufen. Im flachen Gelände macht es durchaus Sinn (wenn nicht wie oben beschrieben Vorsicht geboten ist) Barfußschuhe einzusetzen.
Bänder, Sehnen und Muskulatur benötigen Anpassungszeit. Bis zu 12 Wochen sollten Bänder und Sehnen Zeit bekommen, um sich an einen neuen Stil anzupassen. Also keine zu schnelle Veränderung, sondern Schritt für Schritt langsam die Dauer bzw. Kilometer der Tragedauer erhöhen und spüren, was die Füße davon halten. Nicht direkt bei jeder Laufeinheit, sondern z.B. nur bei jeder dritten oder vierten Einheit auf die Barfußschuhe zurückgreifen. Das kann über Wochen gesteigert werden, wenn es die Füße erlauben.
Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Angaben im Text sind Durchschnittswerte. Wir sind alle individuell und repräsentieren häufig nicht in allen Eigenschaften den Durchschnitt.
So kann ein Fersenläufer sein Leben lang zehntausende Kilometer beschwerdefrei durch die Gegend laufen, ein übergewichtiger Läufer ohne Probleme Marathonläufe über den Mittelfußlauf absolvieren.
Treten Beschwerden auf, so helfen Erfahrungen und Durchschnittswerte Erklärungen und auch eventuell Lösungsansätze für die Probleme zu finden.
Barfußlaufen gilt nicht als Allheilmittel, kann jedoch einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung oder sogar Behebung von Gelenkschmerzen der unteren Extremität oder des Rumpfes leisten.
Anmerkung der Autorin:
In dem vorliegenden Beitrag wird darauf verzichtet, bei Personenbezeichnungen sowohl die männliche als auch die weibliche Form zu nennen. Die männliche Form gilt in allen Fällen, in denen dies nicht explizit ausgeschlossen wird, für alle Geschlechter.